sevilla im ausnahmezustand

an gründonnerstag ist in sevilla der höhepunkt der karwochen prozessionen – soweit wir den plan verstanden haben, waren für den heutigen tag ca 8 prozessionen geplant, die letzte würde ihre kirche erst gegen mitternacht beginnen. im hinblick auf die anstrengenden aussichten während der prozessionen, nahmen wir es eher ruhig und ich verbrauchte nicht zuviel energie und speicherplatz für «normale» sehenswürdigkeiten, die wären dann ja bei einem zweiten besuch auch noch da.  aber so ganz ohne geht es dann doch nicht, hier ein bunt verzierter hauseingang.

der metropol parasol ist erst seit 2011 fertig und verleiht dem platz eine spezielle atmosphäre.

im gegensatz zu ronda, wo die trachten nur bei drei frauen im umzug getragen wurden, scheint es in sevilla durchaus üblich, sich auch als zuschauerinnen im traditionellen schwarz zu kleiden.

die meisten balkone waren rot/gold abgedeckt und an jeder ecke sahen wir bereits gekleidete büsser auf dem weg zu «ihrer» kirche.

auf dem weg zum startpunkt der ersten prozession beobachteten wir wie die büsser in der kirche «einchecken».

beim eingang gibt es dann doch eine gesichtskontrolle, d.h. die büsser müssen den hut kurz abheben.

die ersten prozessionen beginnen schon nachmittags und vor der kirche warten tausende. den rest der gruppe verlor ich bereits vor beginn der ersten prozession, aber das war ja nicht weiter schlimm – es wäre wohl sowieso zu schwierig gewesen, mehr als 2 personen zu koordinieren. zuerst kamen die büsser aus der kirche – es waren unzählige, diesmal mit weissen hüten.

leider konnte ich hier nicht wie in ronda einen guten platz zum fotografieren finden, also teilte ich mir einen container mit einigen kindern – die waren zwar ab und zu im bild, doch durchaus auch ein motiv. eine freundliche spanierin mit ihrem holländischen mann gaben mir gute tips.

die jesus statue ging erst zur nachbarskirche, um den dortigen jesus zu grüssen, da dieser aufgrund des schlechten wetters am vortag nicht wie geplant nach draussen konnte. (so eine englischsprechende spanierin als nachbarin ist gold wert!)

als zweites kam maria aus der kirche und der platz wurde still (was in spanien durchaus sehr ungewöhnlich ist). sie wurde von einem kleinen balkon neben der türe von einer älteren sängerin (ohne mikrofon) angesungen – der ton war etwas leise aber ging durch mark und bein. anschliessend wurde maria noch mit blütenblättern überschüttet – ein schönes bild, obwohl der baum stört.

gerne wollte ich nun richtung parasol gehen, eigentlich gleich um die ecke, um dort eine andere prozession zu sehen. doch bei vielen strassen war kein durchkommen – luzerner fasnacht ist da für anfänger. also veränderte ich die taktik, ich wartete einfach, bis eine statue vorbeigetragen wurde. hier kam gerade eine maria vorbei. vor meinem standpunkt hielt sie gerade an und die kerzen wurden wieder angezündet.

während dieser zeit kam der ganze zug zum stillstand, so dass die motive ruhig standen und ich den bildaufbau überlegen konnte.

die schwierigkeit bestand dann eher darin, dass keine anderen leute gerade vor das motiv standen. oft waren es auch fotografen, die sich überhaupt nicht um den zug zu scheren schienen und rücksichtslos durch die büsser liefen.

den grund für die kinder in der ersten zuschauerreihe war schnell erkannt: einige büsser verteilten süssigkeiten aus ihren taschen.

die grossen statuen werden von jungen männern getragen, die gut an den tüchern auf dem kopf zu erkennen sind. wenn sie mit der last umherlaufen, sehen sie nichts.

sie bewegen sich auf die zurufe und klopfzeichen von einem herrn im anzug.

bei einer pause können sie sich kurz setzen, danach geht es aber wieder hoch. jeder trägt eine last von ca 60kg auf dem nacken.

ein langer umweg führte mich zum parasol, wo ich einen zug in voller länge sehen konnte. sie sind immer gleich aufgebaut. zuerst kommen die büsser mit ihren hüten. viele sind in den socken oder barfuss unterwegs. je nach kirche sind es bis zu 1000 büsser.

einige büsser tragen auch ein symbolisches kreuz durch die strassen. jede kirche hat eine unterschiedliche farbkombination von hüten und kleidern.

dann kommt die heiligenfigur, im ersten zug wird jesus durch die strassen getragen.

die träger der statuen werden regelmässig abgelöst – ich wurde gerade zeuge von einem schichtwechsel.

gleich dahinter läuft die kapelle, die mit trommeln und trompeten den marsch begleitet.

die herausgeputzten kapellen sind nicht von der kirche selbst, sie werden jeweils «angemietet».

einige der trompeten sind sehr klein und ihre musik ist für unsere ohren eher unharmonisch, aber es passt wunderbar zu der szenerie, vor allem im dunkeln ist es sehr gespenstisch.

vom balkon stehten die bewohner in der ersten reihe auge in auge mit den figuren.

doch was von weitem noch wie ehrfürchtiges beten aussieht, könnte bei näherer betrachtung fast als langeweile interpretiert werden.

erwartungsgemäss bahnte sich nach dem jesus zug  auch maria mit ihren begleitern durch die menschenmenge.

nach so viel rummel fand ich endlich ein plätzchen zum sitzen und was zu essen. aber auch dort jagte ein motiv das nächste.

von weitem konnte ich die musik einer prozession in der nähe hören, doch ich brauchte beim besten willen eine pause.

die büsser, die wir  am nachmittag beim einchecken gesehen hatten, traf ich nach einbruch der dunkelheit wieder an

wenn der zug zum halt kam, scharten sich die kinder um die büsser und baten um etwas wachs aus den langen kerzen, um diese auf eine kleine alu-kugel tropfen zu lassen und die wachskugel im verlauf des abends immer weiter wuchs.

mit einer wachsschnur wurden die erloschenen kerzen wieder neu entfacht.

zwischen zwei prozessionen schaffte ich es sogar auf den balkon beim parasol und hatte einen guten blick auf den start einer nächsten prozession, wenn auch nur auf einen kleinen bereich des geschehens.

auf dem weg zum bus kam ich nochmals ins gedränge und hatte ein wiedersehen mit dem jesus vom parasol, der schon auf dem heimweg war.

und wo ein jesus, da kann auch eine maria nicht weit sein! und gerade an meinem standpunkt (mit blick auf den turm der kathedrale) dreht sich die statue um die eigene achse und wird als dankeschön vom hausdach mit blütenblättern beworfen.

die menge der blütenblätter war unglaublich – sie waren echt und nicht aus papier – definitv angenehmer als die konfetti. die strassen waren noch voll, als ich mich auf den weg zum bus machte – 2h heimfahrt vergingen wie im flug.